Von Sören Dannhauer

Im Januar 2019 gab es unter den Bremer Rudervereinen Aufbruchsstimmung, Ende Januar 2020 sieht es ganz anders aus. Enttäuschung ist den Verantwortlichen des Bremer Rudervereins von 1882 e.V. und der Ruderabteilung des Bremer Sport-Clubs e.V. anzumerken, wenn man sie auf die Ruder-Bundesliga (RBL) anspricht. Was ist passiert: Vor einem Jahr war klar, dass Bremen 2019 erstmals seit 2011 wieder mit zwei Achtern in der RBL antritt. Gemeinsam haben die beiden Rudervereine ein Frauen- und einem Männer-Boot an den Start gebracht. Inzwischen aber ist klar, dass 2020 gar kein Boot aus der Hansestadt in der Bundesliga dabei sein wird.

Im Herbst deutete sich an, dass in den Bremer Teams ein Umbruch ansteht. Rudern ist ein Amateursport, das persönliche Zeitbudget für den Wettkampf Sport richten die Aktiven an Schule, Uni oder Beruf und natürlich am Privatleben aus. „Keiner ist Profi – da müssen wir akzeptieren, wenn der Sport zurücksteht.“, so Lisa Vehrs, Trainingsleiterin des Bremer Rudervereins von 1882.

Im Mai 2019 feierte das Männerteam noch einen starken Auftakt in die Ruder-Bundesliga. Mit Platz vier wurde das Treppchen in Duisburg knapp verpasst. Immerhin eine Ehrung mit der sprichwörtlichen goldenen Ananas gab es für das Team. „Ein echter Auftakt nach Maß.“, so Teamkapitän Jens Große (BRV 1882). Im weiteren Saisonverlauf hatten die Männer aber Probleme, daran anzuknüpfen. Rang sechs in Minden, 12 in Hannover, 16 in Leipzig und 15 in Münster folgten. Am Ende war es der zehnte Platz unter 18 Teams. Oft waren es Kleinigkeiten, die das Boot in den weniger als 60 Sekunden langen Sprints, die je Renntag fünfmal in KO-Duellen zu bewältigen sind, fehlten. Nach zwei knapp verlorenen Duellen rutscht ein Team schnell nach hinten durch. Was in der RBL den besonderen Reiz ausmacht war für die Männer der „Lokomotive Bremen“ über den Saisonverlauf eine Belastung. Zu oft ging es schon am Anfang des Tages in die hintere Tabellenhälfte.

Einzelne Sportler, beispielsweise André Müller oder Cedric Borchers (beide BSC), waren wichtige Faktoren, um das Boot im Training zum Laufen zu bringen. „Gerade die positiven Impulsgeber waren aus beruflichen Gründen nicht immer dabei. Als Team ist es uns nicht oft genug gelungen, dies zu kompensieren.“, meint Teamkapitän Jens Große. Als Grund für eine Absage der RBL 2020 gilt das aber nicht. Am Ende braucht man 18 Sportler, um regelmäßig im Acher zum trainig zu kommen und die Saison erfolgreich zu bestreiten. Oder wenigstens einen Kern von 6 Leuten, der praktisch immer dabei ist. „Das werden wir trotz aller Mühen in diesem Jahr nicht schaffen.“, so Große weiter. „Da müssen wir gegenüber unseren Vereinen, den Sponsoren und uns selbst ehrlich sein.“

Für den Deutschen Ruderverband ist es nicht einfach, das Format Ruder-Bundesliga am Leben zu halten. Das Konzept kommt an. Ein Renntag fordert die Aktiven sehr, doch durch die kurzen Sprintstrecken ist statt der üblichen Ausdauer des olympischen Sports eher Kraft und technische Präzision gefragt. Viele der aktiven Ruderer nehmen nach dem Hochleistungssport an der RBL teil. Die Vereine sind froh darüber, das die Sportler im Alter nach dem weit verbreiteten Junioren-Leistungssport an die Bootshäuser gebunden werden. Und das Format ist medial attraktiv: Kurze Strecken, viele Rennen, knappe Entscheidungen und mehrere tausend Zuschauer je Renntag. Aber eine ganze Saison ist kosten- und zeitaufwendig. Die Meldezahlen sind nicht hoch genug. Fast 50 Boote müssten es sein, damit der Ruderverband kostenneutral wirtschaften könnte. Männer- und Frauen-Liga zusammen kommen seit Jahren aber auf nur etwa 40 Boote. Für dieses Jahr gibt es daher eine Art Ultimatum. Eine Mindestzahl an Mannschaften müssen melden, darunter nicht weniger als acht Frauen-Teams, oder die RBL-Saison 2020 wird abgesagt.

Gerade wurde Meldeschluss um zwei Wochen bis Mitte Februar verlängert. Man hofft, die totale Absage des Liga-Formats, das erfolgreich von anderen Sportarten wie Golfern und Seglen übernommen wurde, verhindern zu wollen. Aber im olympischen Jahr, in dem manche Trainingslager der Nationalmannschaft schon in Japan stattfinden, soll die Subvention für den Ligabetrieb auch nicht zu groß werden. Vor dem Hintergrund kommt der Absage des Team Bremen, der Frauen-Mannschaft, vielleicht eine besondere Bedeutung zu. Noch ist nicht klar, ob sich genügend Boote für die kleine Frauenliga finden.

Die Bremer Frauen sind 2019 recht unbedarft in die Saison gestartet. Das Team hatte nicht so viel Wettkampferfahrung, sich dafür in der Saison aber hervorragend geschlagen. Vor dem Saisonstart waren Team und Trainer besorgt, ob man sportlich mit der Konkurrenz mithalten kann. Der Auftakt zerstreute diese Sorgen schnell. Nur zwei Boote ruderten unbedrängt vorneweg. Dahinter machte es den Eindruck, dass Bremen bis aufs Treppchen rudern kann, wenn einmal alles passt. So war es dann auch fast. Am Renntag in Hannover ging es bis in das Halbfinale A/B. Auch wenn es dort keine Chance auf das große Finale um den Tagessieg war und das B-Finale knapp verloren ging, war die Stimmung der Bremer Ruderinnen phänomenal. „In Hannover war selbst der strömende Regen kein Problem. Bei der Ehrung mit der goldenen Ananas für den vierten Platz haben wir umso mehr gestrahlt.“, erinnert sich Teamkapitänin Mareike Tippe (BSC).

Die Unerfahrenheit der Damen hat es im Training immer wieder leicht gemacht, Fortschritte zu erzielen. Das Team harmonisierte gut, die Mischung aus erfahrenen Sportlerinnen und motivierten Einsteigerinnen mit relativ wenig Wettkampferfahrung ist zu einem Team zusammengewachsen. „Am Ende können wir mit Platz sechs in der Tabelle und Tagesergebnisse der Plätze sieben, fünf, vier, sieben und fünf sicher zufrieden sein.“, zieht Tippe ihr Saisonfazit. Leistungsträger, besonders die Ruderinnen für den Rhythmus der Mannschaft, werden 2020 aber fehlen. Ein Trainer wäre wohl auch nicht in Sicht und mit weniger als 12 Ruderinnen ist eine Saison nicht zu schaffen. Der Bremer Frauen-Achter ist nach nur einem Jahr aus dem Ligazirkus wieder verschwunden.

Für die Rudervereine ist es ein Verlust. Zumal sich die Teams den RBL-Start mit einigen wenigen, aber treuen Sponsoren weitgehend selbst finanzieren konnten. „Natürlich hoffen wir, bei neuen Aktivitäten auch wieder Unterstützer zu finden.“, meint Vehrs für den Bremer Ruderverein von 1882. Zumindest ein Sponsor hat signalisiert sich weiter zu engagieren, wenn die verbleibenden Ruderer eine alternative zur Teilnahme an der RBL finden. „Als Verein wollen wir auf jeden Fall weitere Leistungs- und Wettkampfsport in der offenen Altersklasse betreiben.“, gibt auch Vehrs eine eindeutige Ansage für Ihre Sportler ab.

Was statt RBL ansteht, wird gerade geklärt. Teilnahmen an den Deutschen Hochschulmeisterschaften und der Deutschen Meisterschaft rücken gerade in den Blickpunkt. Die Männer prüfen gerade, ob sie am Head of the River in London, der weltgrößten Achterregatta, und an einem großen Event in den Niederlanden teilnehmen. Die Frauen sind Ende Januar mit einer ungeliebten Leistungsüberprüfung in die Saison eingestiegen.

2013/14 gab es schon einmal zwei Jahre, in denen keine Bremer Mannschaften in der Ruder-Bundesliga antrat. Nach zuvor vier Jahren war Ende 2012 die Luft raus. Aber nach zwei Jahren, in denen Teilnahmen an studentischen Meisterschaften und anderen Regatten im Fokus lagen, hat sich 2015 wieder ein großes Männer-Team gefunden und Bremen war ohne großen Anlauf wieder mittendrin, in der Ruder-Bundesliga. „Wer weiß, was in den nächsten Jahren passiert. Als Verein machen wir die Tür zur Bundesliga auf jeden Fall wieder auf, wenn wieder ein Team zusammenkommt.“, so Vehrs.