Die Krise ist zugleich die Chance, wie ein weit östlich liegender Kulturkreis bereits vor uns erkannt hat. Oder gewagt hat auszusprechen.
Zunächst waren wir Masters Ruderer im Verein schwer genervt, dass wir nun nicht mehr in unsere geliebten Achter steigen durften. Das war ja auch eine soziale Maschine, die alle mitnahm und schließlich so ausbildete, dass man über die Zugehörigkeit Einzelner nicht mehr nachdenken mußte. Breitensport in der Mannschaft eben. Version: ambitioniert.
Also war die Parole zunächst: ‚Ergo!‘. Das haben viele Masters sogar selbst zuhause, funktioniert daher ganz gut. Dann kam Holger und legte den Hermann-Böse Dienstag ins Netz. Genial, vor dem Bildschirm zu ‚hüpfen‘ und zu schwitzen. Auch wir haben also die Erfahrung gemacht, dass die neuen Konferenztechniken eine Bereicherung sind. Und die Familie war amüsiert darüber, wie der Alte da die Übungen nachmachte. Stehen wir ja drüber   ☺ .
Dann kam die erste Lockerung der Kontaktbeschränkungen. Jetzt fahren wir fleißig Einer und Zweier. Keinem Ruderer muß man erklären, wie befreiend das war, wieder an der frischen Luft und auf dem Wasser zu sein. Zumal das Wetter bislang meist günstig war.
Im Dezember hatte ein Teil von uns bereits auf der Mannschaftsversammlung beschlossen, ohnehin mehr Kleinboot zu fahren zur Verbesserung des Bootsgefühls und der Wasserarbeit.
Und das ist die gute Nachricht. Corona zwingt uns jetzt alle, in die Kleinboote zu gehen. Die Engpässe bei den Booten, darauf konnte sich natürlich kein Verein vorher einstellen, überbrücken wir einigermaßen durch ein Anmeldesystem. Herzlichen Dank an die Verantwortlichen für dieses Werkzeug. Das ist auch so eine Sache, über die man für die Zukunft nachdenken kann.
Und natürlich, wie man den Engpaß bei den 2x und 2- beenden kann. Im Moment haben wir keinen Platz für zusätzliche Boote. Es könnte aber ja sein, dass wir durch den Anbau mehr Möglichkeiten bekommen. Und vor allem sollte sich die Trainingsabteilung einen Ruck geben, halbalte Boote freizugeben. So manches Boot war schon in eher besserem Zustand, nachdem Masters darin gerudert hatten.
Der Autor dieses Artikels ist 1956 geboren, um die Mitte des letzten Jahrhunderts also. Ich bin noch in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der es noch nicht alles gab. Das muß man notwendigerweise nicht auch erfahren, wenn man z.B. 50 Jahre später geboren wurde. Aus meiner Sicht wird die augenblickliche Situation aber uns allen helfen, wieder mehr das zu schätzen, was wir haben. Denn es geht auch anders.
Also nicht auf ganzer Linie ‚Viva Corona‘, aber wir machen eben das Beste daraus und nutzen die Krise, äh, Chance.
gez:  Heiner Gratenau